„Wertvolle Kinder“-Vortrag: Sich selbst und den anderen entdecken
Die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern verstehen und fördern
Kinder brauchen den anderen als Gegenüber, um sich selbst kennen zu lernen. Diese Erkenntnis bildet die Grundlage für die sozial-emotionale Entwicklung, um die es im Vortrag von Petra Arndt in der Reihe „Wertvolle Kinder“ ging. Die Biologin, Psychologin und Hirnforscherin am TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm zeigte eindrucksvoll, welche entscheidende Rolle dabei Erwachsene für Kinder spielen. „Unser Ziel ist es, Kinder in ihrer Persönlichkeitsentfaltung zu stärken und sie zu befähigen, ihre Zukunft verantwortungsvoll und kreativ zu gestalten.“
Am Anfang ist das Gegenüber
Denn Kinder erlernen ihre Emotionen, ihr Selbstvertrauen und ihre sozialen Kompetenzen in der Interaktion mit Bezugspersonen. Dies beginnt bereits in den ersten Lebensmonaten, wenn Kinder sich stärker an anderen orientieren als an sich selbst. „Kinder entwickeln ihr Ich in der Interaktion mit ihren Bezugspersonen“, so die Expertin. Erst durch Spiegelung und Resonanz in der Kommunikation mit anderen lernen Kinder, ihre Gefühle zu erkennen und zu regulieren.
Die Bausteine sozial-emotionaler Kompetenz
Zu den zentralen Aspekten der sozial-emotionalen Entwicklung gehören:
- Selbstregulation – Die Fähigkeit, eigene Emotionen wahrzunehmen, zu verstehen und zu steuern.
- Empathie und Perspektivenübernahme – Das Erkennen und Verstehen der Gefühle anderer.
- Konfliktlösung und Kooperation – Die Balance zwischen eigenen Bedürfnissen und den Erwartungen der Gemeinschaft.
- Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit – Die Überzeugung, dass man selbst etwas bewirken kann.
„Machen Kinder oft die Erfahrung von Stolz und Erfolg, werden sich diese Gefühle beim Kind manifestieren", erklärte sie. „Je nachdem, was ich betone und verstärke – ich habe direkten Einfluss darauf, ob sich das Kind selbst- oder schuldbewusst fühlt. So lernen Kinder zu beurteilen, was gut für sie selbst ist."
Ein Lächeln reicht
In den ersten Lebensjahren dominieren emotionale Reaktionen, die sich erst nach und nach mit kognitiven Fähigkeiten verbinden. Dabei helfen klare Regeln und Konsequenz. Besonders im Alter von zwei bis drei Jahren – der berühmten „Terrible Two“-Phase – ist es entscheidend, Kindern Orientierung zu geben: „Konsequenz und Struktur sind jetzt besonders wichtig. Sie müssen nicht in jeder Umgebung identisch sein, aber innerhalb eines Settings verlässlich bleiben.“
Dr. Arndt wies auch darauf hin, dass Anerkennung keine materiellen Belohnungen erfordert: „Ein Lächeln reicht oft aus, um positives Verhalten zu verstärken.“ Dieses Prinzip ist essenziell für die Entwicklung von Resilienz und sozialem Verantwortungsbewusstsein. Um erwünschtes
Um erwünschtes Verhalten zu verstärken, brauche es weder Lob noch Schokolade. „Ein anerkennendes Lächeln reicht.“ Gerade die nonverbale Kommunikation und bewusste Spiegelung von Emotionen durch Erwachsene seien für die Entstehung von Resilienz und sozialem Verantwortungsbewusstsein entscheidend. „Wenn ich nein sage und dabei lächle, hat das keine Wirkung“, sagte Petra Arndt. „Möchte ich, dass das kleine Kind den Löffel nicht auf den Boden schmeißt, muss mein Gesichtsausdruck klar ein Nein signalisieren.“ Zudem lernen Kinder von Vorbildern: „Lachen ist ansteckend, schlechte Laune aber auch“, hielt die Forscherin fest.
Schon die Kleinsten wollen mithelfen
Kinder besitzen von Natur aus ein Grundbedürfnis, zu helfen und sich einzubringen. „Sozialkompetenz beginnt früh", erklärte die Expertin. „Jeden noch so kleinen Wunsch, mitzutun und zu helfen, sollten wir als Chance nutzen. Auch wenn wir danach vielleicht etwas nochmal neu machen müssen.“ Durch positive Bestärkung lernen Kinder, dass ihr Verhalten eine Wirkung hat und sie Teil einer Gemeinschaft sind.
Pubertät: Alles im Umbau
Im Jugendalter kommt es dann zu einer Phase des Umbruchs. Impulsives Verhalten und Selbstbezogenheit nehmen zu, da sich das Frontalhirn massiv umbaut. Hier ist es wichtig, an früh erlernte Strukturen anzuknüpfen: „Die Straßen sind da, auch wenn der Umbauprozess vorübergehend alles durcheinanderwirbelt. Die erlernten Werte und Regeln bleiben abrufbar.“
Echte Lernerfahrungen statt digitaler Medien
Ein besonderes Augenmerk sollte auf den Umgang mit digitalen Medien gelegt werden. Kinder lernen primär durch Bewegung, durch gemeinsame Erfahrungen im wirklichen Leben und direkte Interaktion mit der Umwelt. Zu viel Bildschirmzeit stört diesen Prozess: „Kinder sitzen vor dem Bildschirm oft steif wie Bohnenstangen. Auch interaktive Medien können die realen Lernerfahrungen nicht ersetzen.“
Fazit: Erwachsene als Wegweiser
Die sozial-emotionale Entwicklung eines Kindes ist eng mit seiner Umgebung verknüpft. Erwachsene haben die Aufgabe, Orientierung zu geben, Regeln verständlich zu machen und als Vorbilder zu agieren. „Mut erwächst aus Sicherheit“, so die Hirnforscherin. Durch verlässliche Beziehungen, emotionale Spiegelung und positive Bestärkung können Kinder lernen, selbstbewusst durchs Leben zu gehen, für sich selbst und andere einzutreten.
Mit ihrem Vortrag bot Dr. Petra Arndt wertvolle Einblicke in die komplexe, aber auch faszinierende Entwicklung von Kindern und unterstrich die immense Bedeutung der frühen emotionalen und sozialen Förderung.
Sozial-emotionale Entwicklung:
Sich selbst und den anderen entdecken
Vortrag von Dr.in Petra Arndt Biologin, Psychologin, ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen, Ulm.
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Die Reihe „Wertvolle Kinder“ des Vorarlberger Kinderdorfs wird in Kooperation mit Russmedia und dem ORF Vorarlberg durchgeführt und vom Land Vorarlberg – Fachbereich Jugend und Familie – unterstützt.