„Wir spürten, dass es kein Zurück mehr gab“
Nicole und Christof sind Pflegeeltern. Sie geben zwei Kindern die Chance, zu starken Persönlichkeiten heranzuwachsen. Eine Aufgabe, die sie „stolz und glücklich“ macht.
Was war der ausschlaggebende Grund, ein Pflegekind aufzunehmen?
Nicole & Christof: Offen und ehrlich gesagt gab es keinen wirklich ausschlaggebenden Grund. Wir befanden uns 2014 gerade im Urlaub und kamen auf das Thema Pflegekinder zu sprechen. Wir waren völlig zufrieden mit unserer persönlichen als auch beruflichen Situation, dennoch ließ uns dieser Gedanke nicht mehr los, unsere Familie zu vergrößern. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir kaum eine Vorstellung darüber, was eine Pflegschaft bedeutet und wie alles abläuft. Direkt nach unserem Urlaub kontaktierten wir den Pflegekinderdienst, um weitere Infos zu erhalten und wurden überrascht, wie viele Pflegekinder in Vorarlberg ein sicheres Zuhause suchen. Dies war wohl einer der weichenstellensten Momente unseres Lebens.
Wie wurdet ihr vorbereitet? Wie habt ihr die erste Zeit mit Pflegekind erlebt?
Nicole & Christof: Wir empfanden die Vorbereitung als sehr professionell und ausführlich. Nach intensiven Interviews, einem Vorbereitungskurs und weiteren informativen Gesprächen mit dem Pflegekinderdienst waren wir im Juni 2015 sicher, dass dieser Weg zu uns passt. Im Spätherbst erhielten wir eine Anfrage für die Aufnahme eines dreijährigen Jungen. Natürlich waren wir sehr aufgeregt und konnten das Kennenlernen kaum abwarten. Als wir unseren Pflegesohn zum ersten Mal sahen, spürten wir sofort, dass es kein Zurück für uns gab und alles stimmig war. Natürlich hat es unser Leben im ersten Moment komplett umgekrempelt bzw. neu orientiert.
Sein Herz und Heim einem „fremden“ Kind zu öffnen, ist ein großer Schritt. Wart ihr euch als Paar gleich einig, diesen zu machen?
Nicole & Christof: Ja, absolut. Obwohl wir im ersten Moment nicht wussten was auf uns zukommt, haben wir diese Herausforderung angenommen. Und es war für uns nie etwas „Fremdes“, sondern die Aufnahme in unsere Familie ging sehr schnell und wir waren sehr glücklich darüber.
Was ist das, was eine Pflegefamilie von anderen Familien unterscheidet? Was muss man als Pflegefamilie mitbringen?
Nicole & Christof: Auf den ersten Blick gibt es keinen Unterschied zu anderen Familien. Auf den zweiten Blick gibt es organisatorisch schon einiges zu stemmen. Auch braucht man bestimmt etwas mehr Konsequenz, Verständnis und Geduld, denn jedes Kind bringt seine Geschichte mit. Wir haben das Glück, dass wir ein gutes Verhältnis zu den leiblichen Eltern bzw. Großeltern unserer beiden Pflegekinder haben. Das vereinfacht und erleichtert die Abstimmung von Besuchskontakten bis hin zu Geburtstagsgeschenken etc. enorm. Gegenseitige Wertschätzung und Toleranz erlauben allen Beteiligten einen normalen und positiven Umgang mit der Pflegschaft. Unsere Pflegekinder wachsen mit dem Bewusstsein auf, zwei Familien zu haben, die sie lieben.
Was erlebt ihr als Herausforderungen in der Pflegschaft?
Nicole & Christof: Zu Beginn einer Pflegschaft empfanden wir es als ungewohnt, einen Teil des eigenen, privaten Lebens mit Behörden und Institutionen zu teilen. Sehr rasch jedoch haben wir es sehr zu schätzen gelernt, ambitionierte und kompetente Ansprechpartner:innen zu haben, die uns in allen Fragen und Anliegen beraten. Manchmal sind, wie bereits oben erwähnt, viele Termine wahrzunehmen. Jedoch auch das relativiert sich, wenn man sich vor Augen hält, wie wichtig die Kontakte zur Herkunftsfamilie und für die Biographie unserer Kinder sind. Uns ist bewusst, dass das nicht in jeder Pflegschaft eine Selbstverständlichkeit ist. Darum sind wir sehr dankbar, dass in unserem Fall die Befindlichkeiten und das Wohl beider Kinder bei allen Beteiligten an oberster Stelle stehen.
2018 habt ihr noch ein kleines Mädchen als Pflegekind aufgenommen. Wie hat euer Pflegesohn reagiert?
Nicole & Christof: Wir haben ihn von Anfang an in unseren Entscheidungsprozess involviert und er fand die Idee, eine kleine (Pflege-)Schwester zu bekommen, prima. Als wir schlussendlich zu viert waren, hat es schon ein Weilchen gedauert, bis wir unseren gemeinsamen Rhythmus gefunden haben. Der Schritt von einem Kind zu einem zweiten Kind war ein etwas größerer. Doch wir sind froh darüber und haben an keinem einzigen Tag an unserem Entschluss gezweifelt. Beide Kinder sind eine enorme Bereicherung.
Pflegefamilien werden dringend gebraucht und leider immer schwieriger gefunden – woran liegt das in euren Augen?
Nicole & Christof: Pflege bedeutet Aufmerksamkeit, Liebe, Zuneigung und nicht zuletzt weniger Zeit für andere Dinge. Ich glaube dass viele Familien sich das aufgrund der aktuellen Berufs-Situation nicht vorstellen können. Durch die tolle Unterstützung des Pflegekinderdienstes können wir aber nur bestätigen, dass dies ein machbarer und schöner Weg ist.
Als Pflegefamilie seid ihr Chancengeber für Kinder, damit sie zu starken Persönlichkeiten werden und ihre Talente entfalten können und erlebt hautnah mit, welche Fortschritte Kinder machen, wenn sie behütet und gefördert werden – macht euch das auch stolz?
Nicole & Christof: Vor allem macht es uns glücklich! Mich als Pflege-Papa erstaunt es immer aufs Neue, wie schnell die Kleinen wachsen, lernen und Lebenserfahrung gewinnen. Stolz und dankbar macht es uns, dass wir Teil ihres Lebens sein dürfen.
Wie würdet ihr potenzielle Pflegeeltern bzw. Interessierte motivieren?
Nicole & Christof: Hier würde ich nicht von Motivation sprechen, sondern von Begeisterung. Es gibt so viele tolle und zufriedenstellende Gründe, ein oder mehrere Kinder bei sich aufzunehmen! Schlussendlich kann jedeR Einzelne nur für sich selbst entscheiden, ob eine Pflegschaft in Frage kommt. Rückblickend auf die vergangenen fünf Jahre lautet unser Fazit, dass wir genau den gleichen Weg wieder einschlagen würden.
Weitere Infos: T 05522/82253, pflegekinderdienst@voki.at