Gefangen im Netz
„Wertvolle Kinder“: Verleumdungen, Ausgrenzung, peinliche Fotos – die Möglichkeiten des Cybermobbings steigen, so Dr. Caterina Katzer.
„Tränen, die im Netz geweint werden, sind genauso echt wie jene, die auf dem Schulhof geweint werden.“ Mit diesem Satz eröffnete Dr. Caterina Katzer ihren Vortrag im Rahmen der Reihe „Wertvolle Kinder“ des Vorarlberger Kinderdorfs.
Facebook & Co: Spielwiese für Mobber
Für Jugendliche ist das Internet mit seinen Social Networks nicht mehr wegzudenken. Immerhin sind über 75 Prozent aller 14- bis 18-Jährigen Mitglied auf Facebook & Co. Gerade hier offenbart das Internet jedoch auch seine Schattenseiten. Gängige Formen des Cybermobbings sind sogenannte „Fake-Profile“. Passwörter werden geknackt und Profile auf Facebook durch Fotomontagen und Verlinkung z. B. mit Pronowebseiten verändert. Auch „Hassgruppen“ mit dem Ziel, gezielt Lügen über eine bestimmte Person in der Community zu verbreiten und jemanden zu diskreditieren, tummeln sich in sozialen Netzwerken. „Die Liste, wo Cybermobbing stattfinden kann, wird immer länger“, so Katzer, die Chatrooms, E-Mail, Online-Rollenspiele und Social Networks als Spielwiesen für Cybermobber und -stalker nennt.
Kontrollverlust durch Anonymität
Die physische Anonymität führe zu einem Kontrollverlust und einem Sinken der Hemmschwelle. Dabei kommt die große Offenheit der Jugendlichen, private, oft intime Informationen und Fotos ins Netz zu stellen und persönliche Probleme via Chatroom zu erörtern, den Mobbing-Tätern im Netz entgegen. Als besonders verletzend werden Ausgrenzung und Erpressung erlebt, ebenso lächerlich gemacht oder gehänselt und verleumdet zu werden. Dass das, was im Netz an Gehässigkeiten passiert, oft noch mehr weh tut als Verletzungen im realen Leben zeigen auch Zahlen: Ein Drittel der jugendlichen Cybermobbing-Opfer fühlt sich durch das Geschehene extrem belastet, 20 Prozent können es nicht vergessen und reagieren mit psychosomatischen Beschwerden.
Gemeinheiten bleiben ein Leben lang im Netz
Kein Wunder: Bleiben doch Gemeinheiten ein Leben lang im Netz erhalten. „Schulmobbing ist schlimm, aber Cybermobbing ist in vielen Fällen noch viel schlimmer“, meint die bekannte Forscherin auf dem Gebiet der Medienethik und Cyberpsychologie. Die extreme Öffentlichkeit und Reichweite sei aber gerade Kindern und Jugendlichen viel zu wenig bewusst. Auch Tätern macht das Internet es leicht, die Tragweite ihres Verhaltens unter den Tisch zu kehren. „Sie sehen die Auswirkungen ihrer Handlungen, die Tränen nicht direkt – und machen dadurch ungebremst weiter.“
Eltern: genau hinschauen
Katzers dringender Appell richtet sich an Eltern und Freunde, genau hinzuschauen, „wenn sich ein Kind verändert, es anders ist als vorher“. Wichtig sei auch, sich dafür zu interessieren, was Kinder im Netz machen. „9-, 10-, 11-Jährige sollen nicht alleine surfen“, so die Expertin. Eltern können durch feste Nutzungsregeln und Schutzprogramme ihre Kinder bei der Internetnutzung begleiten. Sie rät Erziehenden zudem, neugierig zu sein, Interesse zu zeigen und vor allem im Austausch zu bleiben.
Langfristige Medienerziehung
Handlungsbedarf bestünde auch, was eine langfristige und nachhaltige Medienerziehung anbelange. Hier habe die Politik entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, z. B. durch ein eigenes Lehrfach „Medienerziehung“ und die verstärkte Einbindung von Gleichaltrigen durch „peer-to-peer-education“.
Was können Opfer tun?
Opfer sollten das Mobbing auf jeden Fall z. B. durch Screenshots dokumentieren, es dem Betreiber melden sowie Eltern und Schule informieren. Leider passiere dies derzeit häufig noch nicht, da die nötige Vertrauensbasis fehle und die Opfer keine Lobby hätten. Der dringende Appell Katzers: „Den Opfern muss mehr Gewicht gegeben werden.“
Autorin: Christine Flatz-Posch