Motiviert statt motzig
Wer Leistung will, muss Lernen fördern und bei den Stärken des Kindes ansetzen. „Wertvolle Kinder“-Reihe startete mit vollem Haus.
„Wir predigen und predigen und labern unsere Kinder voll.“ Lernpionier Wolfgang Endres machte zum Auftakt der Reihe „Wertvolle Kinder“ des Vorarlberger Kinderdorfs kurzen Prozess mit langen Diskussionen und plädierte für klare Signale seitens der Eltern, was ihnen wichtig ist. „Wenn Eltern wissen, was sie selbst unter Druck setzt, können sie ihre Kinder besser dabei unterstützen, mit Frustrationen umzugehen – und die erlebt jedes Kind früher oder später.“
Eine Handvoll Lerngedanken
„Wenn ihr Kind ab der ersten Klasse Volksschule jeden einzelnen Tag und jede Stunde gerne zur Schule geht, dann würde ich mir Sorgen machen“, so Endres. Im Lauf einer Schulkarriere müssen alle Kinder lernen, mit Frustrationen umzugehen. Spätestens jedoch, wenn statt Motivation dauerhaft „Motzivation“ das Lernen prägt, macht es Sinn, sich Gedanken zu machen. Was fördert die Lust am Lernen? Vor allem das richtige Zusammenspiel zwischen Herausforderungen und Fertigkeiten, bringt Endres es auf den Punkt. „Wenn diese Balance stimmt, macht das Lernen Spaß.“ Oft ist aber das genaue Gegenteil der Fall. „Das Kind will alles hinschmeißen, weil es nicht mehr weiter weiß oder gar nicht erst anfangen, weil es sowieso alles blöd findet.“
„Ich schaff' das“
Eine der Kernaussagen des Pädagogen: Jedes Kind lernt anders. „Möglicherweise ist das, was ich für das Beste für mein Kind halte, kontraproduktiv.“ Lohnend sei, zu hinterfragen, welche Motivationsfaktoren beim Kind ausschlaggebend sind: Ist es die Lust am Knobeln und Tüfteln, das kreative Potenzial einer Aufgabe oder die Beziehungsebene, also beispielsweise weil man die Lehrerin mag? Wenn Schülerinnen ihre Lernvorlieben und Stärken kennen und Erfolgserlebnisse hätten, seien sie meist bereit Anstrengungen auf sich zu nehmen.
Schätzen hilft
Um Stress zu minimieren, rät der Lernmethodiker dazu, Kindern Schätzaufgaben zu geben. „Das ist eine gute Übung, um die Zeit und sich selbst besser einzuschätzen. Ich lerne, wo ich gut bin, was mich unter Druck setzt.“ Endres stellte dann auch gleich das Publikum auf die Probe und ließ die – mehr oder weniger motivierten – BesucherInnen die Anzahl von Punkten schätzen, Kopfrechnen und Bildrätsel lösen.
Weniger Stress für alle
„Ich nehme dir die Arbeit nicht ab, aber helfe dir, sie auf die Reihe zu kriegen.“ Dies ist nach Meinung des Lernmethodikers der richtige Weg, um Stress für alle zu minimieren. Weder solle dem Kind komplett freie Wahl gelassen, noch es völlig unter Druck gesetzt werden: „Ausloten, ob Zuviel oder Zuwenig und sich selbst auf die Probe stellen, ob man eher dazu neigt, zu früh zu helfen oder das Kind zu lange brutzeln zu lassen. Das nimmt Druck raus“, ist Endres überzeugt.
Perspektivenwechsel
Sein Appell ans Publikum: Kinder immer wieder anregen, etwas ergebnisoffen auszuprobieren, und in einer neuen Fehlerkultur Möglichkeiten des Lernens sehen. Mit dem Leitsatz „Hilf mir, es selbst zu tun“ von Maria Montessori verband Endres die Ermunterung, Kinder in ihrer Einmaligkeit anzunehmen. „Manchmal braucht es einen Perspektivenwechsel, um die Stärken des Kindes zu sehen und bei dem anzusetzen, was es gut kann.“
Autorin: Christine Flatz-Posch