27/01/2010 – Neue Väter in Sicht?
Männer zwischen Laptop und Wickeltisch: Die neuen Väter wollen nicht länger Zaungast in der eigenen Familie sein.
Männer wollen nicht länger Fremdlinge sein
Diese Entwicklung ortet der Journalist und Sozialwissenschaftler Dr. Thomas Gesterkamp. Gesterkamp referierte im Rahmen der Reihe „Wertvolle Kinder" auf Einladung des Vorarlberger Kinderdorfs im voll besetzten ORF-Publikumsstudio über eine veränderte Vaterrolle und eine „neue Väterlichkeit“. „Männer wollen sich nicht länger im Beruf aufreiben und ein Fremdling im eigenen Haus sein“, so der Kölner Publizist. Dies zeige auch der Erfolg der neuen Karenzregelung in Deutschland, die den zwölfmonatigen Elterngeld-Bezug (67% des Nettoein-kommens) um vier Monate verlängert, wenn zwei davon „Väter-Monate“ sind.
Weg vom „Windelvolontariat“
Seit Einführung des zu Beginn als „Windelvolontariat“ belächelten Modells haben sich die Väter in Karenz auf 21 Prozent versiebenfacht. Immer mehr Männer sähen Familienarbeit als „eine Chance durchzuatmen statt als Bedrohung der eigenen Identität“. Die neue Vaterrolle sei positiver bewertet und weniger schambesetzt. Zudem herrsche ein neuer „monetärer Pragmatismus“. „Männer nehmen in Kauf, dass sie zeitweise weniger verdienen als Frauen.“
Vereinbarkeitsproblem
Trotz dieser Tendenz sei der Rollenwandel „eine zähe Angelegenheit“ und begleitet von einem permanenten Aushandlungsprozess und Kompromissbereitschaft. „Die klassische Rollenaufteilung ist auf dem Rückzug. Das Problem, Familie und Beruf zu vereinbaren, trifft beide Partner. Dabei entstehen viele Zwischenmodelle und individuelle Lösungen.“
Väter wollen ihr Ding machen
Gesterkamp sieht Männer in Bewegung und legt sich für den „neuen Vater“ ins Zeug. „Wichtig ist, dass wir Vätern auch vertrauen. Mütter müssen zulassen, dass Väter ihr Ding machen und ihnen nicht die Kompetenz beispielsweise in Sachen Babypflege absprechen.“ Auch in Erziehungs- und Bildungsinstitutionen müssten Väter vermehrt ernst genommen sowie Vätertreffpunkte und -zentren gefördert werden.
Wann ist ein Mann ein Mann?
Gesterkamps Utopie ist die Entwicklung „vom Arbeitsmann zum ganzen Menschen“. Eine Vision, die entsprechende politische und betriebliche Rahmenbedingungen, laut Gesterkamp vor allem familienbewusste Betriebe und eine neue Arbeitszeitkultur voraussetzt. „Gerade Männer befinden sich hier in einem enormen Spannungsfeld“, meldete sich ein Personalleiter und zweifacher Vater aus dem Publikum zu Wort. „Unter 80% wird’s für das Unternehmen personalpolitisch schwierig.“
„Verpass nicht die Rolle deines Lebens“
Oftmals bleibt’s dann wohl in der Realität beim guten Willen und der „verbalen Aufgeschlossenheit“ – den Preis zahlt die ganze Familie: die Männer, die unter Umständen „die Rolle ihres Leben verpassen“, die Kinder, die mit einem Wochenendpapa vorlieb nehmen müssen und die Frauen, die das „Kleinunternehmen Familie“ weitgehend alleine managen müssen.