Familie darf auch nerven
24 Stunden verordnete Familienharmonie? Das fühlt sich oft alles andere als harmonisch an. 24 Stunden unfreiwillige Gemeinsamkeit nerven und das darf auch ausgesprochen werden, meint Jasmin Neumayer.
Längst sind wir es nicht mehr gewohnt, im Alltag so viel Zeit miteinander zu verbringen. Allein die Katzen scheinen den Umstand zu genießen, dass ständig jemand verfügbar ist, der Streicheleinheiten und Leckerli verteilt.
Sorgen teilen und Ängste benennen
Selbst wenn wir Erwachsenen uns um Struktur und Routine bemühen, auch für uns ist alles anders. Kinder haben wache Sensoren für unsere Sorgen, lange bevor diese ans Licht kommen - Sorgen, die unsere Liebsten, unsere Freunde, die eigene Gesundheit oder den Arbeitsplatz betreffen. Auch wenn wir diese Ängste für uns behalten, lasten sie dennoch schwer auf uns. Schon kleine Kinder verstehen das und lernen mehr fürs Leben, wenn sie uns verletzbar erleben dürfen. Dass auch wir Erwachsenen Trost brauchen, eine Umarmung, ein aufmunterndes Wort – und dass diese Gesten hilfreich sind.
Gemeinsam sind wir ein wenig stärker
Die verordnete Gemeinsamkeit bringt auch neue Möglichkeiten mit sich. Beteiligung ist das Stichwort. Was sonst vielleicht schneller alleine erledigt wird, macht nun viel mehr Sinn (und vielleicht sogar Spaß) es aufzuteilen. Den Anspruch, dass der neue Alltag völlig konfliktfrei ablaufen wird, können Sie getrost über Bord werfen. Und bitte behalten Sie im Hinterkopf: Mittelgut ist auch gut.
Jasmin Neumayer ist Erziehungswissenschaftlerin. Sie arbeitet im Fachbereich Familienimpulse des Vorarlberger Kinderdorfs und ist Mama von zwei (erwachsenen) Kindern im Alter von 16 und 20 Jahren.