Yvonne Fussi: „Mein Bruder zeigte mir, dass Scheitern okay ist“
Man sah Yvonne als Mädchen meist in irgendeiner kuscheligen Ecke ins Lesen vertieft. Ein Bücherwurm mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn sei sie gewesen. Und von klein auf beeindruckt von der Stärke ihrer Mutter, die immer wieder neue Hoffnung geschöpft habe, obwohl das Leben es nicht gut mit ihr meinte. „Meine Mama brachte mir bei, dass Stärke ohne Schwäche nichts wert ist und das Aufstehen viel mehr zählt als das Hinfallen. Egal, wie oft man hinfällt, wenn man es schafft, sich wieder aufzurappeln, weiß man danach mehr über sich selbst, über seine Grenzen und Fähigkeiten.“ Ihr Fels in der Brandung sei für sie ihr acht Jahre älterer Bruder gewesen, erzählt die 30-Jährige. „Er war mein sicherer Hafen und er zeigte mir, dass Scheitern okay ist. Ohne ihn wäre ich heute nicht, wer ich bin. Mama, Papa, großer Bruder – es gab Situationen, in denen er alle Rollen übernommen hat, obwohl er selbst noch ein Kind war. Damals nervte es – heute würde ich sagen, er ist mein bester Freund.“
Neben ihrer Familie gilt für Yvonne ihre Kinderdorfmutter als wichtigste Perspektivengeberin. „Sie gab mir ein Zuhause, als ich schon keines mehr erwartete“, sagt sie. „In meiner Kinderdorffamilie durfte ich einfach ich selbst sein. Wenn ich zurückdenke, erinnere ich mich an einen warmen, weichen Ort, der immer voller Lachen war, weil alle nicht anders konnten, als in das Lachen meiner Kinderdorfmutter miteinzustimmen.“ Dabei habe sie sich zu Beginn als siebenjähriges Mädchen gar nicht vorstellen können, wie das funktionieren sollte mit einer „Mama“, die nicht ihre war, und „Geschwistern“, die sie nicht kannte.
Damals habe sie die Erfahrung gemacht, dass Mama-Sein weniger mit dem Verwandtschaftsgrad als vielmehr mit Sich-Kümmern und Da-Sein zu tun hat. „Es bedeutet, ein offenes Ohr zu haben, wenn der erste Liebeskummer so weh tut, dass man glaubt, es hört nie wieder auf. Suppe zu kochen, wenn man krank ist. Am Bett zu warten, bis man nach einem schlechten Traum wieder eingeschlafen ist. Jemanden so sehr in sein Herz zu lassen, dass man die eigenen Bedürfnisse hintenanstellt“, meint die Bregenzer Sozialpädagogin, die sich inzwischen beruflich selbst für benachteiligte Kinder einsetzt.
„Wären wir doch alle ein bisschen öfter Mama“, wünscht sie sich und ist überzeugt, dass die Welt dann ein freundlicherer Ort wäre. Die selbstbewusste junge Frau sieht alle Erwachsenen in der Pflicht: „Wir haben jeden Tag aufs Neue das Privileg, Teil der Geschichte eines Kindes zu sein, die das Potenzial hat, die Welt zu verändern. Also warum helfen wir nicht dabei, Happy Ends zu schreiben?“
Steckbrief Yvonne Fussi
Aufgewachsen in: Bregenz, Vorarlberger Kinderdorf Kronhalde
Lebt heute in: Bregenz
Vorbild damals: „Meine Mutter, wegen ihrer Stärke“
Vorbild heute: „Keines“
Traumberuf: Rechtsanwältin
Beruf heute: Sozialpädagogin
Perspektivengeber:innen: ihr Bruder, ihre Mama, ihre Kinderdorfmutter
Lieblingsplatz damals: in irgendeiner kuscheligen Ecke mit einem Buch in der Hand
Lieblingsplatz heute: bei meiner Familie zuhause
Als Kind bekannt für: ihren Bücherkonsum und ihren Gerechtigkeitssinn
Heute bekannt für: ihren Humor und wohl immer noch für ihren Gerechtigkeitssinn
Werden Sie zu einem:r Perspektivengeber:in unter dem Motto „Kinder vor!“
Geben Sie den Kindern Vorarlbergs die Möglichkeit, ihre Zukunft mitzugestalten. Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen. Ganz egal, ob es eigene Ideen oder laufende Projekte des Vorarlberger Kinderdorfs sind – wir freuen uns über Ihr Engagement. Die Geschichten, die daraus entstehen, werden unter „Perspektiven“ auf „Wir KINDER VORarlbergs!“ veröffentlicht. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören!
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