Klaus Drexel: „Hab keine Angst“
Wenn er zurückdenkt, überdeckt ein Gefühl alle anderen: Unsicherheit. Aus dem beängstigenden Wirrwarr seiner Kindheit leuchten jedoch auch Menschen hervor, die ihm die ersehnte Zuwendung gaben. In den ersten Lebensjahren war dies sein Großvater. „Meine Mutter war anfangs alleinerziehend und musste früh wieder arbeiten gehen. Wir wohnten im Haus meines Opas, der viel Zeit mit mir verbrachte. Er nahm mich mit in die Natur, an den Fuß des Fallbaches oder zum Schwimmen im Alten Rhein“, erinnert sich der 51-jährige Dornbirner. Sein Opa sei für ihn Vaterersatz, Freund und Vorbild zugleich gewesen und er habe als kleiner Bub immer seine Nähe gesucht. „Er zeigte und erklärte mir viel. Er war mein Nest, mein Halt. Ich wollte ihn ständig umarmen und bei ihm sein“, erzählt Klaus, der als liebenswerter Schlingel galt, dem für seine Streiche keiner lang böse sein konnte.
Der Blick zurück in die Kindheit ist für Klaus aber vor allem ein schmerzhafter – nicht nur, weil die Familie mehrmals umzog und der Kontakt zum geliebten Großvater abbrach. Tiefe Spuren hinterließ auch ein Verkehrsunfall im Jahr 1980, bei dem sein Opa väterlicherseits starb und seine Mutter lebensgefährlich verletzt wurde. „Meine Schwester und ich blieben nahezu unverletzt, wurden aber völlig alleingelassen. Niemand fragte, wie es uns geht, niemand tröstete uns. Das Geschehene wurde zur Normalität.“ Die Mutter verbrachte Monate im Krankenhaus, die Geschwister kamen während dieser Zeit getrennt in die Obhut von Verwandten. Klaus wurde zu seiner Tante Lille gebracht, die ihm mit Wärme und Zuversicht zur Seite stand. „Sie war lieb, sie war da, sie hat für mich gesorgt. Sie war meine Rettung.“
Dass er in der Volksschule ein schlechter Schüler war, ist für ihn im Rückblick kein Wunder. „Ich hatte mit anderem als mit Noten zu kämpfen.“ Dennoch hätten seine Eltern für ihn eine Matura ins Auge gefasst. „Sie wollten das unbedingt und schickten mich ins Internat ins Gymnasium Mehrerau, weil sie mich dort trotz meines schlechten Zeugnisses aufnahmen.“ Geplagt von schrecklichem Heimweh und dem Gefühl, abgeschoben worden zu sein, habe er sechs Jahre lang mehr schlecht als recht durchgehalten – bis zum Rausschmiss nach konstant mangelhaften Leistungen, Dauerschwänzen und nächtlichen Streifzügen in die Disco „Opal“. Erst mit 18 Jahren und Bart startete er die HTL für Hoch- und Tiefbau, die er erfolgreich abschließen konnte. Dafür macht er eine weitere Mutmacherin verantwortlich. „Meine damalige Freundin war drei Klassen über mir und motivierte mich, nicht aufzugeben. Sie sagte immer: Probier’s doch, es ist deine Chance! Sie war wiff und half mir beim Lernen. Durch sie fand ich eine Familie, die ich nie hatte, und ein Stück Normalität.“
Heute habe er sich mit seiner Vergangenheit ausgesöhnt, sagt Klaus Drexel, der es trotz aller Widrigkeiten schaffte, Chancen beim Schopf zu packen. Seiner schwierigen Biografie setzt er als begeisterter Vater zweier erwachsener Kinder, als erfolgreiche Führungskraft in der Baubranche und engagierter Bergretter ein volles, reiches Leben entgegen. Sich selbst als Kind würde er gern sagen: „Hab keine Angst, es wird gut werden.“
Steckbrief Klaus Drexel
Aufgewachsen in: Dornbirn
Lebt heute in: Dornbirn
Vorbild damals: Robinson Crusoe
Vorbild heute: „Keines, mich beeindrucken viele Menschen“
Traumberuf: Hubschrauberpilot, Baggerfahrer, Kranfahrer
Beruf heute: Leiter eines Betonwerks und Personalbeauftragter
Perspektivengeber:innen: Opa Josef, Tante Lille
Lieblingsplatz damals: der Bauernhof neben uns
Lieblingsplatz heute: viele – in den Bergen, in der Luft, zu Hause
Als Kind bekannt als: liebenswerter Schlingel (man nahm mir meine kleinen Streiche nicht übel)
Heute bekannt als: Bergretter und Sportler
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