Bernhard Dünser: „Ich kann was, ich bin was“
Trauer, sexueller Missbrauch in kirchlichen Kreisen, Suizid – das sind Erlebnisse und Gedanken, mit denen ein Kind nicht alleine sein sollte. Und doch war es bei Bernhard so. „Ich hätte einen Menschen gebraucht, mit dem ich das, was mir durch den Kopf ging, besprechen hätte können“, sagt der systemische (Männer-)Coach und ehemalige Lehrer. „Auch die Homosexualität, die für mich schon ganz früh klar war, durfte nicht sein. Das hat sich angefühlt wie Achterbahn fahren.“ Gerade weil es keine Bezugsperson in diesem emotionalen Chaos gab, er sie sich aber so dringend gewünscht hätte, ist es dem Hittisauer heute wichtig, Kindern ein offenes Ohr zu schenken. Ihnen einen Raum zu geben, in dem sie einfach so sein können, wie sie sind, und in dem ihre Träume eine Berechtigung haben. Aufgewachsen auf einem Bauernhof mit drei Geschwistern war für ihn dieser Ort die Natur – vor allem das Plätzchen unterm Apfelbaum.
Neben der Zeit draußen mit seinen Hasen und Schafen gab es noch etwas, das Bernhard gutgetan hat: die Mitarbeit in der Gärtnerei von Thomas Wohlgenannt. „Zwischen den Blumen bei der körperlichen Arbeit war ich einfach ich“, erinnert sich der 46-jährige gebürtige Dornbirner. In diesen Stunden hatte er eine Perspektive. Thomas vermittelte ihm etwas Essenzielles: „Ich kann was, ich bin was. Da ist endlich jemand, der mich so nimmt, wie ich bin.“ Nicht verwunderlich also, dass Bernhard mehrere Jahre lang in der Gärtnerei mithalf.
Außerdem gab es da noch eine zweite Person, die ihn wegweisend prägte: Eduard Gasser, sein Berufsschullehrer, war ein Gegenüber, mit dem Bernhard endlich diskutieren konnte – über alles. Die Frage des Pädagogen „Ist dir eigentlich klar, wofür du da bist?“ beschäftigt den psychosozialen Berater seither immer wieder. Sie erinnert ihn stets daran, sich mit all seinen Erlebnissen und Erfahrungen im Hier und Jetzt zu verorten. Kindern wünscht er deshalb eines ganz besonders: Dass sie „einfach da sein dürfen“ – mit so wenig Ablenkung wie möglich. Und dass sie Vorbilder haben, die sie annehmen, ihnen aber auch klar sagen: „Mach was draus!“
Denn für ihn war das die Basis, um sich selbst – auch als Mann – zu finden, um zu tun, zu scheitern und daran zu wachsen. Sein Verständnis vom „Mann sein“ ist nicht von heute auf morgen entstanden. „Über die Jahre habe ich mich mit veralteten Rollenbildern und den Konflikten, die sie in mir ausgelöst haben, auseinandergesetzt. Ich habe viel gelesen und mich weitergebildet. Der Mann, der ich heute bin, hat sich aus dem Probieren im gelebten Alltag entwickelt“, sagt der Coach und Supervisor, den seine Kindheit so geprägt hat, dass er sich erst im Erwachsenenalter für ein Coming-out entschied. Heute unterstützt er in seiner Arbeit vor allem Männer auf ihren individuellen Wegen und agiert in vielerlei Hinsicht selbst als Role Model.
Steckbrief Bernhard Dünser
Aufgewachsen in: Dornbirn
Lebt heute in: Hittisau
Vorbild damals: Thomas, der Gärtner
Vorbild heute: „Ich bewundere viele Menschen, möchte mein Leben jedoch nicht als Kopie leben.“
Berufswunsch als Kind: Lehrer, Seelsorger, Schafhirte
Beruf heute: Coach, Lebensbegleiter, www.cafeamwaldrand.at
Lieblingsplatz damals: unterm Apfelbaum
Lieblingsplatz heute: überall, wo es still ist, mein Garten
Perspektivengeber:innen: Thomas Wohlgenannt (der Gärtner), Eduard Gasser (ein Lehrer)
Als Kind bekannt für: seine Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft
Heute bekannt für: seine Zielstrebigkeit, Offenheit und Klarheit
Werden Sie zu einem:r Perspektivengeber:in unter dem Motto „Kinder vor!“
Geben Sie den Kindern Vorarlbergs die Möglichkeit, ihre Zukunft mitzugestalten. Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen. Ganz egal, ob es eigene Ideen oder laufende Projekte des Vorarlberger Kinderdorfs sind – wir freuen uns über Ihr Engagement. Die Geschichten, die daraus entstehen, werden unter „Perspektiven“ auf „Wir KINDER VORarlbergs!“ veröffentlicht. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören!
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